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GESCHICHTE DER STIFTUNG

Obwohl dies von der DDR-Regierung nicht begrüßt wurde, begann Frank Schröder (1958–2014), zu der Zeit Archivar im Rostocker Stadtarchiv, die Geschichte der Rostocker Juden zu erforschen und begann später auch Kontakte mit Interessierten aufzubauen, die sich in der Arbeitsgemeinschaft Kirche und Judentum mit Christiane Niemann unter dem Dach der Evangelisch-lutherischen Kirche Mecklenburgs trafen.

Da einige Gruppenmitglieder der Arbeitsgemeinschaft nie die Verbindung zu ihren aus Deutschland geflüchteten jüdischen Freunden abgebrochen hatten, konnten diese interviewt werden, um die Archivfunde und lokalen Personenakten zu ergänzen, zu bereichern und zu veranschaulichen. Um ihre Beziehungen zu den USA Mitte der 1980er zu verbessern, wurden diese Bemühungen nun von der sozialistischen Regierung unterstützt. Die Ostblockmächte sahen die Juden gewissermaßen als diejenigen, die ihnen die Türen zum Weißen Haus würden öffnen können.

Plötzlich gestattete die DDR die ersten Publikationen und öffentlichen Vorträge über Juden und ihr Schicksal, die jedoch die antisemitischen Bestimmungen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland nach 1945 ausklammerten. Sie erlaubte der Kirche Mecklenburg, den ehemaligen Rostocker Yaakov Zur (geb. Alfred Jacques Zuckermann; 1924–2013), der damals in Israel lebte, für einen Vortrag nach Rostock einzuladen, wohingegen die antizionistischen Ostblockmächte jeden Austausch mit Israel abblockten. Tatsächlich waren die Rostocker Interessierten eine der wenigen Initiativen, die ihre jahrelangen privaten Recherchen in einer Publikation über dieses Thema umsetzen konnten.

Kopien von Zeitungsartikeln aus der Zeit vor 1989 über jüdische Rostocker und das Buch von Ingrid Ehlers und Frank Schröder (Zwischen Emanzipation und Vernichtung: Zur Geschichte der Juden in Rostock, Rostock: Stadtarchiv, 1988) verbreiteten sich unter ehemaligen Rostockern, die westlich des "Eisernen Vorhangs" lebten, wodurch auch Herbert Samuel sie über mehr als einen Postweg erhielt.

Mit dem Ende der DDR im November 1989 konnte die kommunistische Vernachlässigung der jüdischen Geschichte und der berüchtigte Antizionismus des Ostblocks enthüllt und kritisiert werden. Die Idee, ihre Forschungsergebnisse in einem Haus zu präsentieren, das einst einer Rostocker jüdischen Familie gehörte, kam erstmals Ende 1989 auf. Die neugewonnenen Freiheiten ermöglichten Frank Schröder und seinen Mitstreitern im Januar 1990, offiziell die "Vereinigung für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock e.V." zu gründen, die im Juni desselben Jahres eingeschrieben wurde.


Nach 1989 hatte Herbert Samuel, der Sohn von Max Samuel, die Möglichkeit, sein Elternhaus am Schillerplatz 10 zurückzuerhalten. Er und Frank Schröder begannen eine direkte persönliche Korrespondenz ab Februar 1991 und entwickelten die Idee, die Villa der Vereinigung zur Verfügung zu stellen. Mitte Juli 1991 konnte sie einen ersten Raum der Villa beziehen. Herbert Samuel entschied schließlich, dem Wunsch vieler Rostocker nach einer "Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock" zu folgen und übergab am 22. August 1991 das Wohnhaus an die Stiftung, die mit ihrer Arbeit das Andenken an Max Samuel und an die reiche jüdische Geschichte in Rostock aufrechterhält.

Am 2. September 1991, dem 49sten Todestag Max Samuels, hielt der Vorstand der Stiftung seine Eröffnungssitzung ab. Die Kinderkrippe zog aus und am 2. Oktober wurde die Villa, seitdem "Max-Samuel-Haus" genannt, ihrem neuen Zweck als Begegnungsstätte gewidmet. Geführt von der Stiftung, stellt das Max-Samuel-Haus nun Treffpunkt, Kulturstätte und Forschungseinrichtung jüdischer Geschichte und Kultur dar.