Eingangsbild

04.01.2021, aktualisiert: 01.02.2021

Leider konnte das Max-Samuel-Haus die neue Ausstellung am 4. November 2020 zu den "Synagogen in Mecklenburg" nicht dem Publikum öffnen. Folgende Fotos und Text sollen einen kleinen Einblick geben - bis sie hoffentlich bald für alle Interessierten zugänglich ist.

Synagogen in Mecklenburg und Pommern

Ein Beitrag zur Ausstellung bei MV1

MV1 Beitrag zur Synagogen Ausstellung

 

Blick in die Ausstellung

Synagogenmodell Plau am See       Synagogenmodell Krakow am See

Modell: Heidi Vormann, Synagoge Plau am See         Modell: Jüdische Gemeinde Rostock, Synagoge Krakow am See

Diese Schau gibt einen Überblick zu 15 bestehenden Sy­nagogenbauten in Mecklenburg und einer in Vorpom­mern.
Einst gehörte in den meisten mecklenburgischen Landstädten und vielen Städten Pommerns eine Synago­ge zum Stadtbild. Die erhaltenen Synagogenbauten un­seres Landes sind vielen unbekannt, das wollen wir än­dern. Unter den 16 Synagogenbauten finden sich zwei (Rostock, Schwerin), die Juden zum eigentlichen Zweck als Bet- und Versammlungshaus nutzen, zwei dienen jetzt Christen als Kirche (Dargun, Goldberg), fünf sind heute Bildungs- oder Kulturstätten (Boizenburg/Elbe, Hagenow, Krakow am See, Röbel und Stavenhagen). Sie stehen allen offen bei Gottesdiensten bzw. zu ihren regu­lären Öffnungszeiten oder nach Absprache. Entdecken Sie diese Schönheiten unseres Landes. Die übrigen sie­ben (Bützow, Crivitz, Demmin, Ludwigslust, Neubukow, Plau und Schwaan) sind privat.
Die Synagogen sind und waren Zierde ihrer Gemein­den. Aus der Zeit vor den Austreibungen der Juden aus Mecklenburg bis 1492 (aus Rostock und Wismar schon bis 1350) und aus Pommern bis 1493 ist uns wenig über Synagogen bekannt. Prof. Oluf Gerhard Tychsen (erst Bützow, dann Rostock; 1734–1815) er­forschte jüdische Spuren im Lande und in seiner Samm­lung, heute in Ros­tocks Universitätsbibliothek, findet sich eine Zeichnung der ehemaligen Synagoge Parchim, die 1492 enteignet und dann als Lagerhaus zweckentfremdet wurde. Die Zeichnung ist das älteste uns be­kannte Abbild eines Synagogenbaus Mecklenburgs. Mit der Wiederzulassung von Juden in beiden Mecklenburg (Schwerin und Strelitz), ab 1679 in Schwerin und peu à peu fortschreitend, erstanden jüdische Gemeinschaften, in Mecklenburg israelitische Gemeinden genannt, neu. Deren Dachverband hieß Israelitische Landesgemeinde Mecklenburg-Schwerin, 1763 gegründet. In Pommern, 1648-1815 geteilt zwischen Schweden (Vorpommern) und Kurbrandenburg (Hinterpommern), unterschied sich die Lage je nach Landesherr. Mit der Neuaufnahme von Juden in Kurbrandenburg ab 1671 kamen sie auch wieder nach Hinterpommern. Schweden verbot Juden, sich in Vorpommern niederzulassen, Ausnahmen ge­währte es nur einzelnen. Sie ka­men vor allem aus Meck­lenburg und Hinterpommern, das weiter zu Branden­burg-Preußen gehörte. Erste jüdi­sche Gemeinden ent­standen, 1784 in Stralsund. 1887 gab es in Pommern 56 Synagogengemeinden, wie die Bezeichnung als Pendant zu Kirchengemeinde in Preußen lautete, davon elf in Or­ten Vorpommerns, wovon drei heute zu Polen gehören. Preußens Monarchie verhinderte landesweite jüdische Religionsverbände, so entstand der Preußische Landes­verband jüdischer Gemeinden erst 1922.
Synagogen, diese im Alten Testament unbekannte Einrichtung, ist eine Innovation das nachexilischen Ju­dentums (Babylonisches Exil judäischer Eliten von 597 vor der Zeitrechnung bis 539 v.d.Z.) und in der Funktion klar unterschieden vom ehemaligen Tempel in Jerusa­lem, wie allen anderen Tempeln und Kirchen. Synagogen sind heute der sichtbarste bauliche Ausdruck des Judentums. Aus jüdisch religiö­ser Sicht ist für Gebete und Versammlungen ein eigener Bau nicht notwendig, ebenso gut können sie in privaten oder ge­mieteten Räumen stattfinden. Es braucht nur zehn Reli­gionsmündige (Minjan) und eine Thorahrolle. Dagegen ist die Einrichtung von Mikwe (rituelles Bad) und jüdi­schem Friedhof, der ewige Grabruhe erlaubt, geboten. Nicht alle israelitischen Gemeinden Mecklen­burgs und Synagogengemeinden Pommerns konnten ei­gene Synagogenbauten unterhalten, aber Friedhöfe und Mikwen schufen sie sich sobald als möglich. Der Bau ei­ner Synagoge drückte aus, dass eine Gemeinde und ihre Mitglieder sich etabliert hatten. Anders als lutherische Kirchen im Lande, für die Patrone aus feudalen Abga­ben, und Landesherren aus Steuern, die auch Juden zahlten, Bauzuschüsse gewährten, konnten jüdische Ge­meinden solche Mittel nicht heranziehen. So war die Schaffung einer Synagoge durch Um- oder Neubau ein finanzieller Kraftakt. Respekt erheischt der Einsatz: Die Gemeinden nahmen Kredite auf, die sie jahrzehntelang abstotterten. Darüber hinaus halfen die Mitglieder indi­viduell nach Kräften mit Sachspenden und Geld.
Prominentester und nach 1492 erster Bau eines jüdi­schen Bethauses im Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns war 1762 die Synagoge in Strelitz (ab 1994 Strelitz-Alt genannt). Zu dieser Zeit machten die 600 Juden ein Viertel der Einwohner von Strelitz aus, womit es die jüdischste Stadt Mecklenburgs war mit ei­nem eigenen Stadtdialekt. Ungewöhnlich war die offen einsehbare Lage an einer Kreuzung und der Zuschuss des Landesherrn zum Bau. Die Sy­nagogen in Zei­ten von Aufklä­rung und Napo­léons Neue­run­gen entstanden vielfach direkt an Straßen. So bau­ten die Juden in Bützow 1787 und jene Boizenburgs 1799-1801 je eine Synagoge in Fachwerkbauweise, wie auch die Ludwigs­luster (1810 von Johann Georg Barca [1781–1826], 1820 Umbau zum Bethaus) und Darguner im Jahr 1824. Alle vier waren unauffällig, die Synagogen Darguns und Ludwigslusts blieben es, denjenigen in Boizenburg wur­den 1864 und in Bützow (19. Jh.) ansehnliche Fassaden vorgeblendet. Die Synagoge Schwerin dagegen entstand 1773 hinter den Häusern Schlachterstraße 3/5 im Hof. Mehrfach erneuert und 1938 zerstört, bauten Joachim Brenncke und Matthias Brenncke auf gleichem Grund­riss 2008 die jetzige Synagoge. Im Hause Schlachter­straße 3 hatte die Gemeinde 1948 im Parterre eine Syna­goge eingerichtet, wovon die Buntglasfenster zur Straße noch heute zeugen. In den Jahrzehnten nach Napoléons Sturz, in denen anfangs Nichtjuden in Deutschland Het­zerei und Pogrome gegen Juden übten, bauten die israe­litischen Gemeinden ihre Synagogen meist in zweiter Reihe, verdeckt durch Vorderhäuser, die ebenfalls der Gemeinde gehörten, so in Hagenow (1828) oder Staven­hagen (um 1820). In Güstrow stand die Synagoge von 1829 von der Straße zurückgesetzt, bis sie 1938 zerstört wurde. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts drücken die Syna­gogen offenbar das Empfinden eigener Sicherheit und Akzeptanz als Juden in der Gesellschaft aus. Synagogen dieser Zeit verstecken sich nicht und sind aufwändiger, wie jene Backsteinbauten im Rundbogenstil in Goldberg (1845), Sternberg und Neubukow (beide 1850), Crivitz (1863) und Krakow am See (1866) zeigen. Anfangs wa­ren die Innenräume nüchtern gehalten, doch mit stabile­ren Finanzen der Gemeinden und Einflüssen aus Polen, wo Synagogen innen oft farbig und kalligraphisch reich gestaltet waren, zog auch hierzulande dieser Brauch ein (z.B. in Bützow, Goldberg und Tessin bei Rostock). Ein eigener Synagogenstil Mecklenburgs ist nicht erkennbar.
Insbesondere Tessins Synagoge, leider verwehrt der Eigentümer den Zugang, weist aufwändiges Innendekor auf. Auch in der Synagoge Rostock zierten Ornamente die Ostwand rund um den Thorahschrein. Einen knap­pen Eindruck ihrer Innengestaltung geben Bruchstücke von Bodenfliesen. Mit Deutschlands wirtschaftlichem Aufstieg und dem Recht, sich überall im Norddeutschen Bund frei niederzulassen, zogen viele Mecklenburger, Juden wie Lutheraner, in neue Zentren der Entwicklung, z.B. nach Rostock, aber meist an Orte außerhalb des Landes. Während israelitische Gemein­den in Mecklenburgs Landstädten mangels Mitgliedern sich auflösten, ihre Synagogen aufgaben (1880 in Warin, 1883 in Rehna, 1887 in Grevesmühlen und Neustadt-Glewe oder 1892 in Boizenburg), wuchs Rostocks 1870 gegründete Gemeinde erst und konnte sich 1902 eine Synagoge bauen, für deren Planung sie den verdienten Architekten Ludwig Levy (1854–1907) gewann. Die meisten hier gezeigten Bauten waren zur NS-Zeit schon keine Synagogen mehr, daher auch nicht Ziel des No­vemberpogroms. Erhaltung, Verfall (Bützow) oder Zer­störung (Waren 1957, Malchow 1992) heute aber danken sie den Menschen unserer Zeit. MVs Synagogen tun gut!

Ulf Heinsohn