Eingangsbild

THEMATISCHE ARBEITSSCHWERPUNKTE DES HAUSES

Die wichtigste Aufgabe der Stiftung ist die Vermittlung von Wissen über jüdische Geschichte und Kultur, um damit Antisemitismus und Intoleranz wirksam zu bekämpfen. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die inhaltliche Kinder- und Jugendarbeit gelegt. Für Interessenten gibt es eine im Haus öffentlich zugängliche Bibliothek mit besonderem Schwerpunkt zur jüdischen Geschichte. 14 hauseigene Publikationen zu unterschiedlichen Themen sind bisher veröffentlicht worden. Wir veranstalten Lesungen, Konzerte, Vorträge, aber auch thematische Ausstellungen und die Internetseite juden-in-rostock.de. Das Haus entwickelt und zeigt eigene Ausstellungen mit lokalen und regionalen Inhalten bezüglich des Judentums und präsentiert gelegentlich auch Ausstellungen anderer Institutionen.

Den stärksten Eindruck aber hinterlassen die Denksteine, die in Rostock vor den ehemaligen Wohnungen von Holocaust-Opfern in den Bürgersteig gesetzt werden. Diese werden von Privatpersonen und Unternehmen gespendet. Weitere Aktivitäten des Hauses finden Sie auch unter der Rubrik Veranstaltungen.

Die Arbeit des Max-Samuel-Hauses wird durch drei ehrenamtliche Gremien - den Verein der Freunde und Förderer des Max-Samuel-Hauses e.V., einen Stiftungsvorstand und ein Kuratorium - begleitet.

 

Angebote für Schulklassen oder andere Gruppen

Erwachsenengruppen:  7,00 € pro Person
Schulklassen: 3,00 € pro Person
Student:innen: mit dem AStA-Kulturticket frei

 

Die Zielstellung ist es über Antisemitismus aufzuklären und das Demokratieverständnis zu stärken. Bei den Veranstaltungen lernen die Teilnehmer eine andere Religion und einen Ausschnitt der Rostocker Geschichte kennen.

Stadtrundgänge  
Stadtführung zur jüdischen Geschichte durch Rostock 2-3 Stunden
Stadtführung auf den Spuren Max Samuels 2 Stunden
Führung zur jüdischen Geschichte in der Steintorvorstadt 1,5 Stunden
Denksteinrundgang in der Altstadt (nördliche und östliche Altstadt) 2 Stunden
Der alte Jüdische Friedhof im Lindenpark 1 Stunde
ActionBound (Smartphone-App) weitere Informationen finden Sie hier.
Die Stadtführungen können zeitlich und inhaltlich individuell angepasst werden.  

 

Im Max-Samuel-Haus  
Vortrag/Vorstellung: Die Familie Samuel und das Max-Samuel-Haus 1 Stunde
Quellenarbeit mit schriftlichen Erinnerungen, wie Zeitzeugeninterviews, historischen Fotografien,
unterschiedlichen Dokumenten zu Familiengeschichten, NS-Zeit in Rostock.
2-3 Stunden
Jüdische Religion – Judentum mit Besuch der Rostocker Synagoge 1-2 Stunden
   

Es ist möglich, mehrere Themenbereiche zu kombinieren und, zum Beispiel für Schulklassen, einen Vormittag zu gestalten.
Wir empfehlen die Angebote für Jugendliche ab 13 Jahren.

Kontakt: Steffi Katschke / Ulf Heinsohn
0381/492 32 09
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

Die Villa Schillerplatz 10, um 1913

Das Max-Samuel-Haus in Rostock heute

DER NAMENSGEBER DES HAUSES

Max Samuel (* 9. Januar 1883 in Argenau, † 2. September 1942 in Blackburn) war ein Unternehmer und Gemeindevorsitzender der Israelitischen Gemeinde in Rostock.

Reproduktion von Egon Tschirchs (1889–1948) Porträt von Max Samuel aus dem Jahre 1920 und die von ihm erfundene Gummibürste für Wildlederschuhe, Foto 2017

Mit 14 Jahren zog Max Samuel aus dem Königreich Preußen ins Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, um seine Ausbildung im Schuhgeschäft seines ältesten Brudes James Samuel (1871–1933) in Güstrow zu beginnen. Dort erhielt er schon früh die Möglichkeit, eigene Erfindungen zu entwickeln. So entwickelte er u. a. eine patentierte Schuhpflegebürste für Wildlederschuhe. Dank der Entwicklung von Schuhzubehör und orthopädischen Artikeln konnte er dann 1906 seine eigene Firma, die EMSA-Werke in Güstrow, gründen. Im selben Jahr heiratete er Berta Geßner (1878–1937), Tochter des bayerischen Lehrers und Gemeindekantors Jakob Geßner (1848–1937). In Güstrow wurden Sohn Herbert (1907–1992) und Tochter Käthe (1910–1987) geboren.


Familie und Gäste an Max Samuels 50sten Geburtstag, 1933

Die Bedingungen für seine expandierende Firma waren in Güstrow nicht günstig. Daher kaufte er ein Grundstück in der Rostocker Friedrichstraße und baute seine Fabrik auf, in der zeitweilig über 150 Mitarbeiter beschäftigt waren. 1921 erwarb er die Villa am Schillerplatz 10 als Wohnhaus. Die Villa, fertiggestellt im Jahr 1912, war vom Architekten Paul Korff (1875–1945) für den Physiologie-Professor Hans Winterstein (1879–1963) entworfen worden. 1923 wurde Max Samuel Gemeindevorsteher der Israelitischen Gemeinde in Rostock. Diese war die größte jüdische Gemeinde im damaligen Mecklenburg. Mit diesem Argument erreichte er, dass das Landesrabbinat und der Oberrat von Schwerin nach Rostock verlegt wurden. Kurz nach der Novemberrevolution 1918 trat Max Samuel der im selben Jahr gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei. 1930 wurde er in den fünfköpfigen Landesvorstand der Deutschen Staatspartei (DStP) gewählt, der Nachfolgerin der DDP. Im selben Jahr übernahm er den Vorsitz des Israelitischen Oberrates von Mecklenburg-Schwerin. Gesellschaftlich engagierte er sich in der Korporation der Kaufmannschaft und war Mitglied der Landes-Universitäts-Gesellschaft.

Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 konnte Max Samuel beide Funktionen nicht mehr ausüben. Er beschränkte seine Aktivitäten auf sein Unternehmen und die Gemeindeleitung. Hier sorgte er für die Sicherung jüdischer Friedhöfe in Mecklenburg und versuchte, bei den Gemeindemitgliedern die geistige Selbstbehauptung zu stärken. Er kümmerte sich besonders um die immer wichtiger werdende Gemeinde-Sozialarbeit. Viele wegen ihres Glaubens entlassene Arbeiter stellte er in seinen Werken ein, sorgte für Ausreisepapiere oder Reisegeld.

Sein Sohn Herbert emigrierte 1934 ins englische Blackburn, um dort ein Zweigwerk der EMSA-Werke zu gründen. 1937 starb seine Ehefrau Berta. Nach Beschlagnahme der Firma folgte Max Samuel im Frühjahr 1938 seinem Sohn ins englische Exil, obwohl er oft erklärt hatte, Deutschland nicht verlassen zu wollen. Die Tochter Käthe folgte zuletzt ins Exil.

DAS HAUS ZWISCHEN 1939 UND 1991

Zwischen 1938 und 1945 wurde die Villa vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Pflanzenforschung, einem Zweig der Vorgängerin der heutigen Max-Planck-Gesellschaft, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, für die Verwaltung genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hier der Kulturbund Rostock gegründet. Danach zog die städtische Schulbehörde ein und blieb bis Mitte der 1950er Jahre. 1955–1991 wurde das Haus als Kinderkrippe genutzt.

GESCHICHTE DER STIFTUNG

Obwohl dies von der DDR-Regierung nicht begrüßt wurde, begann Frank Schröder (1958–2014), zu der Zeit Archivar im Rostocker Stadtarchiv, die Geschichte der Rostocker Juden zu erforschen und begann später auch Kontakte mit Interessierten aufzubauen, die sich in der Arbeitsgemeinschaft Kirche und Judentum mit Christiane Niemann unter dem Dach der Evangelisch-lutherischen Kirche Mecklenburgs trafen.

Da einige Gruppenmitglieder der Arbeitsgemeinschaft nie die Verbindung zu ihren aus Deutschland geflüchteten jüdischen Freunden abgebrochen hatten, konnten diese interviewt werden, um die Archivfunde und lokalen Personenakten zu ergänzen, zu bereichern und zu veranschaulichen. Um ihre Beziehungen zu den USA Mitte der 1980er zu verbessern, wurden diese Bemühungen nun von der sozialistischen Regierung unterstützt. Die Ostblockmächte sahen die Juden gewissermaßen als diejenigen, die ihnen die Türen zum Weißen Haus würden öffnen können.

Plötzlich gestattete die DDR die ersten Publikationen und öffentlichen Vorträge über Juden und ihr Schicksal, die jedoch die antisemitischen Bestimmungen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland nach 1945 ausklammerten. Sie erlaubte der Kirche Mecklenburg, den ehemaligen Rostocker Yaakov Zur (geb. Alfred Jacques Zuckermann; 1924–2013), der damals in Israel lebte, für einen Vortrag nach Rostock einzuladen, wohingegen die antizionistischen Ostblockmächte jeden Austausch mit Israel abblockten. Tatsächlich waren die Rostocker Interessierten eine der wenigen Initiativen, die ihre jahrelangen privaten Recherchen in einer Publikation über dieses Thema umsetzen konnten.

Kopien von Zeitungsartikeln aus der Zeit vor 1989 über jüdische Rostocker und das Buch von Ingrid Ehlers und Frank Schröder (Zwischen Emanzipation und Vernichtung: Zur Geschichte der Juden in Rostock, Rostock: Stadtarchiv, 1988) verbreiteten sich unter ehemaligen Rostockern, die westlich des "Eisernen Vorhangs" lebten, wodurch auch Herbert Samuel sie über mehr als einen Postweg erhielt.

Mit dem Ende der DDR im November 1989 konnte die kommunistische Vernachlässigung der jüdischen Geschichte und der berüchtigte Antizionismus des Ostblocks enthüllt und kritisiert werden. Die Idee, ihre Forschungsergebnisse in einem Haus zu präsentieren, das einst einer Rostocker jüdischen Familie gehörte, kam erstmals Ende 1989 auf. Die neugewonnenen Freiheiten ermöglichten Frank Schröder und seinen Mitstreitern im Januar 1990, offiziell die "Vereinigung für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock e.V." zu gründen, die im Juni desselben Jahres eingeschrieben wurde.


Nach 1989 hatte Herbert Samuel, der Sohn von Max Samuel, die Möglichkeit, sein Elternhaus am Schillerplatz 10 zurückzuerhalten. Er und Frank Schröder begannen eine direkte persönliche Korrespondenz ab Februar 1991 und entwickelten die Idee, die Villa der Vereinigung zur Verfügung zu stellen. Mitte Juli 1991 konnte sie einen ersten Raum der Villa beziehen. Herbert Samuel entschied schließlich, dem Wunsch vieler Rostocker nach einer "Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock" zu folgen und übergab am 22. August 1991 das Wohnhaus an die Stiftung, die mit ihrer Arbeit das Andenken an Max Samuel und an die reiche jüdische Geschichte in Rostock aufrechterhält.

Am 2. September 1991, dem 49sten Todestag Max Samuels, hielt der Vorstand der Stiftung seine Eröffnungssitzung ab. Die Kinderkrippe zog aus und am 2. Oktober wurde die Villa, seitdem "Max-Samuel-Haus" genannt, ihrem neuen Zweck als Begegnungsstätte gewidmet. Geführt von der Stiftung, stellt das Max-Samuel-Haus nun Treffpunkt, Kulturstätte und Forschungseinrichtung jüdischer Geschichte und Kultur dar.